Zum Glasfaserausbau in Reddelich

In der Presse ist derzeit der Glasfaserausbau in der Region Thema. Ob ein Sommerloch grüßen lässt oder es tatsächlich neue Entwicklungen gibt, kann ich nicht beurteilen. Aber nach dem Stand für Reddelich wurde ich mehrfach gefragt.

Die Versorgung von Wohnungen mit essentiellen Medien wie Strom, Wasser und Kommunikation ist gemäß Baugesetzbuch Aufgabe der Kommunen. Dies sollten wir nicht vergessen, auch wenn dieser Versorgungsauftrag in der Praxis meist an Privatanbieter oder Verbände übertragen wurde. Die Breitbandversorgung wird heute allgemein der Grundversorgung zugerechnet. Konsens besteht mittlerweile auch darin, dass Glasfasern das Medium der Zukunft für die Breitbandversorgung ist.

Wie ist nun der Stand in unserer Gemeinde?
In einer ersten Ausbaustufe hat die Deutsche Telekom im Jahr 2013 Glasfaserleitungen bis an die Ortsverteilerkästen installiert. Auch für dieses Projekt flossen öffentliche Fördergelder, die von der Gemeinde seinerzeit beantragt wurden. Die Gemeinde hat auch einen nicht unerheblichen Eigenanteil bezahlt, der unseren Haushalt noch heute mit Abschreibungen belastet. Rechte an diesen Glasfaserleitungen haben wir jedoch keine. Das Projekt befindet sich derzeit für uns eine Sackgasse, weil die Telekom sich viel zu lange auf Kupferleitungen zu den Haushalten festgelegt hat. Diese Technologie wurde schlicht von der Zeit überholt. Ihr Monopol hat der Staatskonzern, dank der liberalen, europäischen Wirtschaftsgesetzgebung, mittlerweile auch verloren. Die Gemeinde kann die Erweiterung des Glasfasernetzes bis in die Haushalte aus Eigenmitteln nicht leisten. Potenzielle Anbieter haben kein Vertrauen in den Staatskonzern Telekom um auf Basis deren Hauptleitungen ein eigenes Netz aufzubauen.

Derzeit haben wir zwei Optionen für Breitbandausbau mit Glasfasernetzen. Zum einen sind Behörden des Landkreises seit über fünf Jahren dabei, einen Netzausbau zu organisieren, der auf Fördermittel von Bund, Land und Kommunen basiert. Zum anderen haben einige Kommunen, u. a. Reddelich, ein Angebot der Deutschen Glasfaser angenommen, Glasfasernetze zu installieren und zu betreiben. Die Installation ist für die Kommunen und Erstkunden bis zum Hausanschluss kostenfrei. Die Deutsche Glasfaser ist ein privates Unternehmen, das von Großinvestoren finanziert wird.

Die erste Option offenbart das gesamte Dilemma öffentlicher Förderung und das Verhältnis von Behörden zu Hochtechnologie. Dabei hatte die Grundidee, kompletter Breitbandausbau eines ganzen Landkreises, durchaus Charme. Dass dieses Projekt Potenzial für einen „mecklenburger BER“ hat, sehe ich nicht als alleiniges Verschulden des Landkreises an. Das ist systemimmanent. Klar ist bei dieser Option auch noch nicht, wer für die Eigenmittel der Kommunen aufkommt und wie hoch die Anschlussgebühren für Hausanschlüsse ausfallen.

Können kommunale Pflichtaufgaben quasi nur mit Fördermittel realisiert werden, ist das ein Anachronismus. Stammen diese Fördermittel aus öffentlichen Geldern, grenzt das für mich an Veruntreuung. Leider stecken wir in genau dieser Situation – mit einer Ausnahme: Breitbandausbau mittels Glasfasern bis in die Haushalte nach der zweiten Option.

Als den Gemeinden im Amtsbereich Bad Doberan-Land die Offerte der Deutschen Glasfaser unterbreitet wurde, war die erste Frage: Wo ist der Haken? Es klang einfach zu schön um wahr zu sein. Der Landkreis konnte, mit der theoretischen Aussicht auf Fördermittel im hohen neunstelligen Euro-Bereich, praktisch keine Ergebnisse oder verbindliche Zeitpläne vorweisen. Da kam diese Truppe, die in Mecklenburg kaum jemand kannte und zeigte uns, wie Marktwirtschaft funktioniert. Die Tarife für Telekommunikation sind nirgends in Europa so hoch, wie in bei uns, die Kosten für die Anbieter aber weltweit ähnlich. Das legt die Vermutung nahe, dass der ehemalige Quasi-Monopolist gewaltige Gewinnmargen eingestrichen hat. Wir Bürger zahlen in diesem System also dreifach. Zum ersten füllen wir mit unseren Steuern und Abgaben die öffentlichen Fördertöpfe aus denen die Telekom einen Großteil ihrer Investitionen finanziert. Zum zweiten zahlen wir regelmäßig überteuerte Tarife für Leistungen und zum dritten kassiert die Telekom, trotz der geförderten Infrastruktur, Anschlussgebühren bei der Installation von Hausanschlüssen.
Herzlichen Glückwunsch uns allen!

Natürlich hat die Gemeinde Reddelich das Angebot der Deutschen Glasfaser angenommen. Der Landkreis sollte uns und allen anderen, die dies auch getan haben, dankbar sein. Die nicht in Anspruch genommenen Fördermittel könnten nun konzentriert für Haushalte eingesetzt werden, deren Erschließung marktwirtschaftlich unrentabel ist.

Wie fast alle Bauprojekte, stößt auch das der Deutschen Glasfaser auf Hindernisse. Das aktuelle für Reddelich heißt Deutsche Bahn, Sie ahnen es vielleicht – ein Staatsmonopolist wie die Telekom. Zur Versorgung muss die Bahntrasse im Gemeindegebiet gequert werden. Die Genehmigung dazu lässt noch auf sich warten.

In deutschlandweit tätigen Planungsbüros wird gemunkelt, dass Mecklenburg-Vorpommern sich die restriktivsten Bahnbehörden in ganz Deutschland leistet. Tut unsere Landesregierung etwas dagegen? Einverstanden, die Frage ist eher rhetorisch. Da steht Mecklenburg in einer alten Tradition. Schon seit dem Mittelalter gehörte das Schweriner Herzogshaus zu den schwächsten Monarchien in Europa. Das nur nebenbei.

Unabhängig von der Bahnquerung hat die Deutsche Glasfaser, in Kooperation mit dem Zweckverband Kühlung eine Übergangslösung gefunden. In einem vorhandenen Regenwasserkanal, der unter den Bahngleisen entlangführt, soll eine provisorische Glasfaserleitung verlegt werden. Dann sollen sukzessive die Hausanschlüsse bei den Kunden installiert und freigeschaltet werden.

Ulf Lübs
Bürgermeister

Der Artikel wurde veröffentlicht am: 14. Juli 2019 unter: Glasfaserausbau