Das ist bei den Einwohnern der Gemeinde längst Usus. Ungewöhnlich ist dies bei der Infrastruktur. Wie jetzt erst ermittelt wurde, steht die Gemeinde für einen Kilometer Straße mehr in der Verantwortung, als bislang angenommen. Wie das?
Der Jennewitzer Landweg wächst seit rund 20 Jahren stetig zu. Dies soll in diesem Winter beendet und der Wildwuchs beseitigt werden. Neben Reddelich haben an diesem Weg auch Steffenshagen und Kröpelin Anteile. Zur Abgrenzung der Aufgaben wurden im Amt Bad Doberan-Land die jeweiligen Eigentümer ermittelt. Bislang sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass jeweils die Gemeinde zuständig ist, auf deren Gebiet der jeweilige Wegabschnitt liegt. Überraschender Weise stellte sich heraus, dass der Weg sich noch im „Eigentum des Volkes“ befindet, also allen Bundesbürgern gehört. Da dies selbst zu DDR-Zeiten, für die Zuordnung von Verantwortlichkeiten, zu allgemein war, wurde den Nutznießern die Rechtsträgerschaft übertragen. Bis zum Punkt 3 in der unterstehenden Lageskizze steht die Gemeinde Reddelich als Rechtsträger im Grundbuch. Zwischen Punkt 1 und Punkt 2 verläuft die Gemeindegrenze zwischen Reddelich und Steffenshagen in der Mitte des Weges. Dort ist jede Gemeinde für ihren Teil verantwortlich.
Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir in das Jahr 1946 zurückschauen – das Jahr der Bodenreform. Da es in Reddelich erfreulicherweise keine Enteignungen von Großgrundbesitzern und Kriegsverbrechern gab, musste eine Lösung für Büdner und Häusler gefunden werden, die nach den Bodenreformgesetzen Anspruch auf mehr Land hatten. Dazu wurde die landwirtschaftliche Nutzfläche zwischen Landweg und Hundehäger Wald zwischen den Anspruchsberechtigten aufgeteilt. Details dazu werden sicher noch für die Gemeindechronik recherchiert und aufgeschrieben. Durch diese Flurneuordnung waren Reddelicher Landwirte damals die Hauptnutznießer des Landweges und die Zuordnung der Rechtsträgerschaft an die Gemeinde Reddelich nur folgerichtig.
Dass diese Verhältnisse mit den Jahren in Vergessenheit gerieten, hat mit der starken Rolle der LPGen bei der Instandhaltung und Verbesserung der ländlichen Infrastruktur zu tun. So herrschte auch in unserer Region zunehmend Pragmatismus bei der Wegeinstandhaltung. Der Jennewitzer Landweg hatte eigentlich nur für die LPG (P) „Kühlung“ eine Bedeutung und wurde von ihr auch, nach den damaligen Möglichkeiten, instandgehalten. Die Gemeinde hatte weder die Technik noch die Mittel dazu. Rechtsträgerschaft hin oder her,sollte der Weg für die Landtechnik befahrbar bleiben musste die LPG handeln.
Mitte der 1980er Jahre wurde der Landweg komplett saniert. Hauptgrund war die Einrichtung eines Agrarflugplatzes am Weg. Das Agrochemische Zentrum (ACZ) Kröpelin war der Betreiber und machte den Betrieb von einer ordentlichen Zuwegung abhängig. In Eigenleistung baute die LPG (P) „Kühlung“ den Weg so aus, wie er noch Heute genutzt wird. Das Material für den Unterbau wurde von der Kröpeliner Kartoffelhalle (ausgesiebte Feldsteine), von der ehemaligen Ziegelei Althof (Ziegelbruch) und der Kiesgrube „Albrecht“ aus Tüzen (Rohkies) herangefahren. Dies Material war zwar nicht normgerecht, erweist sich aber bis Heute als haltbar. Es sind zwar reichlich oberflächliche Schlaglöcher vorhanden, aber kaum Strukturschäden.
Der letzte Rückschnitt des Wildwuchses war Mitte der 1990er Jahre durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) des Landkreises. Damals waren – gefühlte – 20 Leute wochenlang mit dem Weg beschäftigt. Wem der Weg letztlich gehörte spielte auch bei dieser Maßnahme keine Rolle.
Jetzt sind die Mitarbeiter des Amtsbauhofes und ehrenamtliche Helfer! dabei, den Wildwuchs zu beseitigen. Im Laufe des Jahres wird der Weg als Rad- und Wanderweg hergerichtet, der auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge befahrbar ist. In der Vergangenheit war der Jennewitzer Landweg so eine Art Geheimtipp für Müllfrevler. Die Spanne der illegalen Entsorgungen reichte dabei von Schlachtabfällen und Tierkadavern über Bauschutt und Sperrmüll bis zu Fahrzeugen. Letztere wahlweise im Ganzen oder zerlegt. Wenn der Weg wieder einigermaßen hergerichtet ist mag die Hemmschwelle für diese „Entsorgungsspezialisten“ ja höher liegen. Vielleicht spricht es sich ja auch herum, das bereits einige von den Zeitgenossen mit empfindlichen Bußgeldern belegt wurden. Für (Rad-) Wanderer ist der Weg alles Mögliche, nur nicht langweilig. Landschaft. Flora und Fauna haben dort in jeder Jahreszeit interessantes zu bieten.
Ulf Lübs