Auf der öffentlichen Sitzung am 29. Juni 2020 hat die Gemeindevertretung eine Erhöhung der Hebesätze für Realsteuern, für dieses Jahr und die folgenden, beschlossen. Nachfolgend der Satzungstext zur Bekanntmachung und Erläuterungen zu diesem Beschluss.
Dass wir diesen Beschluss am Montag ohne Gäste aus der Gemeinde beschlossen haben, werte ich als Vertrauensbeweis der Reddelicher und Brodhäger in ihre Gemeindevertretung – Danke dafür. Unsere Kämmerin, Frau Beutz, war anwesend und beantwortete fachliche Fragen mit gewohnter Kompetenz. Diskutiert wurde reichlich und durchaus kontrovers.
Was veranlasst uns dazu?
Ende letzten Jahres informierte uns die Kommunalaufsicht über ein Angebot der Landesregierung zur Haushaltskonsolidierung. Danach können Kommunen mit Haushaltsproblemen Zuschüsse beantragen. Als Voraussetzung muss gegeben sein, dass der:
- Antragsteller eine kreisangehörige Gemeinde ist, die
- in den drei vorangegangen Haushaltsjahren jeweils einen jahresbezogenen negativen Saldo der laufenden Ein- und Auszahlungen in der Finanzrechnung und
- einen negativen Saldo der laufenden Ein- und Auszahlungen zu Beginn des Haushaltsvorvorjahres ausweist.
Dies ist in unserer Gemeinde gegeben. Nicht gegeben ist die Bedingung, dass
- die Hebesätze für Realsteuern im Haushaltsvorjahr so festgesetzt sind, dass sie mindestens 20 Hebesatzpunkte (Zusatzpunkte) über dem gewogenen Durchschnittshebesatz liegen.
Gewogen heißt in diesem Fall der Durchschitt aller Gemeinden in MV mit einer Einwohnerzahl bis eintausend. Nachstehende Tabelle vermittelt das vielleicht etwas anschaulicher:
derzeitige Hebesätze | gewogener Durchschnitt | Zusatzpunkte | |
---|---|---|---|
Grundsteuer A | 250 v. H. | 319 v. H. | 10 v. H. |
Grundsteuer B | 350 v. H. | 375 v. H. | 5 v. H. |
Gewerbesteuer | 300 v. H. | 331 v. H. | 5 v. H. |
Auf der Dezembersitzung sprach sich die Gemeindevertretung einmütig dafür aus, dieses Angebot erst zu diskutieren, wenn die Höhe der Zuwendung beziffert wurde und Klarheit über die erwartete Neuberechnung der Grundsteuern besteht. Dazu gab es im Dezember keine Aussage.
Warum jetzt und auch noch rückwirkend?
Den derzeitigen Umständen geschuldet kam das geplante Beratungstreffen mit Vertreterinnen der Kommunalaufsicht erst Mitte Juni zustande. Dafür kamen die Damen mit konkreten Zahlen und Aussagen:
- Nach unseren derzeitigen Haushaltszahlen können wir mit einem Zuschuss in 2021 für 2020 in Höhe von rund 220.000 Euro rechnen.
- Die derzeitige Berechnungsgrundlage der Grundsteuern hat bis 2025 Bestand.
- Bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen haben wir einen Rechtsanspruch auf die Zuschüsse.
- Weitere Bedingungen gibt es keine. Auch nach Antragstellung können wir alle unsere Rechte uneingeschränkt wahrnehmen.
Auf den Punkt gebracht, handelt es sich bei diesem Angebot der Landesregierung um eines, dass wir nicht ablehnen können – um sinngemäß ein berühmtes Filmzitat zu verwenden. Anders als bei entlastenden Steueränderungen, haben wir bei belastenden nur im ersten Halbjahr die Möglichkeit, die Steuerhebesätze anzupassen. Daher war zwar Eile geboten, jedoch liefen alle vorbereitenden Maßnahmen für die GV-Sitzung, insbesondere für die ordentliche Ladung, fristgerecht und Rechtskonform.
Was bedeutet die Anpassung nun für die Steuerzahler in der Gemeinde?
Ja, es wird, voraussichtlich im Herbst, eine Nachveranlagung geben. Für eine Familie, die bislang 250 € Grundsteuer im Jahr bezahlt hat, werden nun etwa 272 € erhoben. Sicher, angesichts der allgegenwärtigen Preissteigerungen, eine weitere, bittere Pille. Aber eine mit enormer, positiver Auswirkung für unsere Gemeinde.
Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass eine Anpassung der Hebesätze für uns schon überfällig ist. Keiner der anwesenden Gemeindevertreter konnte sich an eine Hebesatzänderung erinnern. Bei jeder Haushaltsdiskussion, in den letzten Jahren, wies die Kämmerin darauf hin, dass uns Einnahmen aus den Schlüsselzuweisungen entgehen, weil unsere Hebesätze unter dem gewogenen Durchschnitt liegen.
Fazit
Ich bin der Überzeugung: Der optimale Zeitpunkt für die beschriebene Anpassung ist genau jetzt. Wir werden nie wieder mit einem vergleichsweise geringen Aufwand einen solch großen Nutzen erzielen. Das sahen auch die anderen Gemeindevertreter so. Das Votum war einstimmig für den Beschlussvorschlag.
Bezeichnend für die Diskussion war ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber „denen da oben“. Verständlich, hat doch sicher schon jeder Kommunalpolitiker Hinhaltetaktiken, falsche Versprechungen, Klientelpolitik und diverse Tricksereien erlebt. Da fällt es manchmal nicht leicht, in den kleinsten Zellen der Gesellschaft, den Familien und Kommunen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ihr Bürgermeister
Ulf Lübs