Bereits 2014 wollte der Wasser- u. Bodenverband Hellbach-Conventer Niederung
von der Gemeinde die pauschale Zustimmung zur Renaturierung der Moehlenbäk
. Diese haben wir verweigert. Die Moehlenbäk
ist unsere zentrale Vorflut, über die der größte Teil des Oberflächenwassers der Gemeinde in die Ostsee
abfließen kann. Da möchten wir schon etwas genauer wissen, was dort gebaut wird. Auf der letzten Bauausschusssitzung stellte Herr Dr. Lange vom Planungsbüro PfaU das Sanierungskonzept detailliert vor. Doch was hat es auf sich mit der Bäk und wie heißt die nun richtig?
Im Hundehäger Wald
gibt es mehrere Quellen, denen ganzjährig Wasser entspringt. Bis zum 19. Jahrhundert lief dieses Wasser in die nördlich des Waldes gelegenen Wiesen und Moore. Gemeinsam mit Regen- und Schneeschmelzwasser entstand eine Sumpf- und Niederungslandschaft, die heute jeden „Hardcore-Naturschützer“ in Verzückung versetzen würde.
Vom allgemeinen Intensivierungszwang in der Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts getrieben, machten sich Landwirte der Region, unterstützt von Fachleuten und Beamten der domanialen Verwaltung an die Melioration ihrer Felder und Wiesen. Basis aller Maßnahmen war die Ableitung überschüssigen Wassers in die Ostsee
. Da in der Reddelicher Ortslage kein natürlicher Vorfluter vorhanden war, musste einer geschaffen werden. Das Ergebnis ist heute offensichtlich. Der zentrale Vorfluter für Reddelich und Brodhagen ist ein ganzjährig wasserführender Bach, der das westliche Gemeindegebiet durchfließt. Er dürfte zwar noch keine 200 Jahre alt sein, über seine Entstehung ist in den bislang ausgewerteten Quellen jedoch nichts überliefert.
Dass der Sammelgraben an der Nordseite des Hundehäger Waldes (01). [die Klammerwerte beziehen sich auf die unten stehende Planskizze] von Menschenhand gegraben wurde, ist heute noch offensichtlich. In ihm sammelt sich das Oberflächenwasser aus dem Wald und den angrenzenden Feldern und Wiesen. Es fließt durch einen zu DDR-Zeiten verrohrten Graben in den Erlenbruch an der Gemeindegrenze zu Steffenshagen. Dort begegnet uns auch schon die erste Besonderheit. Unser Bach heißt auf alten Flurkarten Moehlenbäk
, die Brücke über den Jennewitzer Landweg, vor Verrohrung des Bachabschnittes, Moehlenbrügg (02) und der angrenzende Hügel Moehlenbarg (03). Das Kuriosum ist, eine Mühle ist uns an diesem Standort nicht bekannt. Lediglich einen Hinweis auf eine kleine, wassergetriebene Walkmühle vorm Dreißigjährigen Krieg
haben neuere Forschungen ergeben. Ob diese dort gelegen hatte und die Flurnamen damit authentisch sind, wissen wir nicht.
Ein Blick in topografisches Kartenwerk legt den Schluss nahe, dass die Moehlenbäk
zwischen Jennewitzer Landweg und ehemaliger Molkerei in die Feldmark gegraben wurde. Der kurvige Verlauf folgt den natürlichen Gegebenheiten und dürfte den Aufwand beim buddeln erfreulich gering gehalten haben. Ob die mit Erlen bewachsenen Brüche seinerzeit als Rückstaufläche bei Hochwasser mit angelegt wurden oder sich im Laufe der Jahre selbst gebildet haben, lässt sich ohne einen Blick in die Planungsunterlagen wohl nicht beantworten. Heute verschaffen sie dem Bachlauf jedenfalls ein natürliches Flair.
Kurz vor dem Ende der Alten Dorfstraße befindet sich ein Durchlass (04), der zwar einen Auslauf in einen offenen Graben hat, jedoch keinen erkennbaren Einlauf. Bis zu Beginn der 1990er Jahre befand sich auf der anderen Straßenseite eine Wiese mit einer Quelle, die über benannten Graben in die Moehlenbäk
ablief. Mit Erschließung des Gewerbegebietes wurde dessen westliches Regenrückhaltebecken an den Graben angeschlossen. Die Quelle wurde in die Verrohrung eingebunden, bevor die Wiese bebaut wurde. Diese Quelle sorgt für einen permanenten Wasserfluss im Graben, der 2016 erstmalig nach mindestens 25 Jahren versiegte. Der Klimawandel läßt grüßen! Unscheinbar aber wichtig ist ein weiterer Zufluss zur Moehlenbäk
, der größtenteils unterirdisch verläuft. Nördlich der Alten Dorfstraße, auf Höhe des Fußweges in das Gewerbegebiet, fließt Wasser in einem offenen Graben, das im Nordteich (05) des Gewerbegebietes „zwischengelagert“ war. In den Graben gelangt, neben dem Niederschlagswasser aus dem Gewerbegebiet, auch das überschüssige Wasser aus dem Torfmoor an der Glashäger Straße und den Wiesen zwischen ihr und der B 105. Dieser ganzjährig wasserführende Entwässerungsstrang wurde in die Erschließung des Gewerbegebietes eingebunden.
Auf Höhe des ehemaligen Hof Barten, der Hufe III von Reddelich, ist in topografischen Karten ein Wehr (06) eingezeichnet. Ältere Reddelicher erinnern sich noch an eine Bewässerungsanlage mit Pumpenhaus und Druckleitungen zu den Kohlfeldern von Bauer Barten, der diese damals hochmoderne Anlage in den 1920er Jahren bauen ließ. Die später dort wirtschaftende LPG nutzte den Bereich für eine Kartoffeldämpfanlage. Heute erobert die Natur das Terrain zusehends. Gleichfalls ist am Straßendurchlass Steffenshäger Straße in vielen Karten ein Wehr (07) eingezeichnet, das es heute nicht mehr gibt. Der Straßendurchlass ist durch seinen begrenzten Durchmesser eine Drosselstelle. Mit der Höhendifferenz zur Straße wirkt er als Hochwasserschutz. Dieses wird dort angestaut und die Bachniederungen bilden eine Überschwemmungsfläche, auf der das Wasser keinen Schaden anrichten kann. Ein einfaches System, das wenig Wartungsaufwand benötigt.
Die ehemalige Molkerei (08) ist auch ein Namenspatron der Moehlenbäk
. Für viele ältere Reddelicher heißt sie schlicht Molkereibach
. Bäk oder Bach, dem Wasser ist’s egal. Es fließt weiter durch Wiesen, um sich anschließend durch einen landschaftlich reizvollen Erlenbruch zu mäandern. In diesem Bereich herrscht das stärkste Gefälle im Streckenverlauf des Baches. Es wussten also schon unsere Vorfahren, dass man durch serpentinenartige Führung des Bachbettes diesen beruhigt und somit einen weiteren preisgünstigen Hochwasserschutz schaffen kann. Dass dem Bach in der Ortslage von Brodhagen ein Bett mit 90-Grad-Bogen (09) gegraben wurde, hat wohl mit seiner Funktion als Viehtränke für die anliegenden Bauernhöfe zu tun. Die Geologie dort hätte auch, anders als am Kalkberg (10), andere Streckenführungen erlaubt. Zwischen Kalkberg und Tempels Berg (11) hat die Natur die Bachbettführung mehr oder weniger vorgegeben.
Eine Seltenheit befindet sich im Grenzbereich zur Vorder Bollhäger Flur. Wenn man es genau nimmt, endet die Moehlenbäk
dort. Über eine Wasserweiche (12) fließt heute der Hauptteil des Wassers in das Bollhagener Fließ
nach Bad Doberan und von dort in die Ostsee
. Es gibt aber auch eine Verbindung zum Bolhäger Fließ, das über Hinter und Klein Bollhagen in Fulgen in die Ostsee
fließt. Möglich wird dieses Kuriosum durch das geringe Gefälle, das in dem Bereich herrscht. Die Wasserweiche liegt auf 15 Meter Höhe und die Ostsee
ist noch weit weg. Egal welchen Weg das Wasser aus Reddelich in die Ostsee
nimmt, es hat an der Bollhäger Wasserweiche noch nicht die Hälfte seines Weges geschafft, ist aber bereits über 50 Höhenmeter bergab geflossen. Im topografischen Kartenwerk von 1879 bildete die benannte Wasserweiche auch die Wasserscheide und beide Fließe wurden als gleichrangige Gewässer gezeichnet. In den 1980er Jahren bildete eine Linie die Wasserscheide, die in etwa dem Plattenweg zwischen Steffenshagen und Vorder Bollhagen entspricht. Andernorts wurden für derartige Knotenpunkte Seen genutzt oder angelegt. Ein künstlicher See an der Bollhäger Wasserweiche wäre nicht nur teuer im Bau gewesen, sondern auch in der Unterhaltung. Durch die relativ geringe Fließgeschwindigkeit würde ein solcher stark zur Verlandung neigen. Seit den 1990er Jahren ist die Moehlenbäk
wieder die gemeinsame Quelle für das Bollhäger und das Bollhagener Fließ.
Der überwiegende Teil des Wassers aus Reddelich verlässt unter der Brücke (13) des Landweges von Doberan nach Vorder Bollhagen unser Gemeindegebiet. Von dort macht es einen Umweg über Bad Doberan und vereinigt sich zunächst südlich des Thünenhofes
mit dem Althöfer Bach
und im weiteren Verlauf mit dem Rotbach
. Das Mischwasser der beiden Bäche wird Mühlenfließ
genannt, was die hochdeutsche Entsprechung zur Moehlenbäk
ist. Das Mühlenfließ
, von vielen nach Ausbau und Begradigung in den 1960er Jahren auch Conventer Randkanal
genannt, ergießt sich an der Jemnitzschleuse
zwischen Heiligendamm und Börgerende in die Ostsee
.
Die Vorstellung des Renaturierungsprojekts – um zur BA-Sitzung zurück zu kommen – zeigte, dass der Auftraggeber dort auf Experimente verzichtet und bewährte Bauteile und Technologien anwendet. Durch die Bauausschussmitglieder und Herrn Flatow, dem anwesenden Stellvertretenden Wehrleiter, wurden kleine Änderungen angeregt und Hinweise zum Hochwasserschutz für Brodhagen gegeben. Dies wurde in die Planung aufgenommen. Mit diesen Ergänzungen empfiehlt der BA der Gemeinde die Zustimmung für das Projekt.